Eisschwimmen und Hypothermie: Kein Märchen, sondern ernsthafte Realität

Eisschwimmen: Zwischen Faszination und Risiko

Eisschwimmen ist eine mentale und körperliche Herausforderung, doch die Grenzen zwischen einer gesunden Herausforderung und einem gefährlichen Zustand können schnell verschwimmen. Hypothermie – die Unterkühlung des Körpers – ist eine reale Gefahr, mit der sich jeder Eisschwimmer und Eisbader auseinandersetzen sollte.

Das Märchen Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern von Hans Christian Andersen gehört zu den schönsten, aber auch traurigsten Geschichten überhaupt. Es erzählt vom Erfrierungstod eines kleinen Mädchens, das in der Kälte des Weihnachtsabends verzweifelt versucht, ihre Hölzchen zu verkaufen. Sie stirbt – und sieht in ihren letzten Momenten die schönsten Halluzinationen. Diese Geschichte hat mich tief berührt und war besonders präsent, als ich diesen Blogbeitrag schrieb.

Beim Eisschwimmen sind wir oft fasziniert von der Kraft der Natur und den eigenen Grenzen. Doch wie bei Andersens Märchen zeigt sich: Die Kälte ist mächtig und manchmal gnadenlos. Hypothermie kann in wenigen Minuten lebensbedrohlich werden und zum Tod durch Erfrieren führen. Diese Gefahr bleibt gering, wenn man das Eisschwimmen mit Respekt und Verantwortungsbewusstsein angeht – letztendlich ist es jedoch eine Extremsportart.

In diesem Beitrag erkläre ich, welche Phasen es beim Eisschwimmen gibt und ab wann die Gefahr für eine Hypothermie besteht. Die beschriebenen Phasen entsprechen nicht den medizinischen Definitionen, sondern sollen dir grundlegendes Wissen vermitteln, um eine drohende Hypothermie zu erkennen und dich selbst sowie andere zu schützen.

Eine Umfrage auf meiner Instagram-Seite hat interessante Antworten von Schwimmern geliefert, die eine milde Hypothermie erlebt haben – ihre Berichte findest du am Ende des Beitrags.

Was ist Hypothermie?

Hypothermie tritt auf, wenn die Körperkerntemperatur unter 36°C fällt. Besonders beim Eisschwimmen und Eisbaden ist das Risiko hoch, da der Körper in kaltem Wasser viel schneller Wärme verliert als an der Luft.

Welche Phasen gibt es nun beim Eisschwimmen oder Eisbaden, und ab wann wird die Gefahr einer Unterkühlung besonders groß?

Phase 1: Der Kälteschock – Die erste Hürde im kalten Wasser

Wie fühlt es sich an?

Schnappatmung, Herzrasen, das Gefühl, keine Luft zu bekommen, Panikgefühle, brennende Haut.

 Gefahren:

In dieser Phase besteht die größte Gefahr, die Kontrolle über den eigenen Körper zu verlieren. Die schnelle Atmung kann zur Hyperventilation führen, was im schlimmsten Fall zu Bewusstlosigkeit und Ertrinken führt. Eine Unterkühlung ist zu diesem Zeitpunkt nicht sehr wahrscheinlich.

 Mein Tipp:

Bleib ruhig und fokussiere dich auf deine Atmung, verwende eventuell ein Atemmuster. Schwimme in dieser Phase nur Brust, um die Kontrolle zu behalten.

 Fremdbeobachtung:

Ein starkes, sichtbares Luftschnappen oder hektische Bewegungen können auf den Kälteschock hindeuten. Außenstehende sollten sofort eingreifen, falls sich der Schwimmer nicht stabilisiert.

 

 

Phase 2: Kurzfristige Anpassung – Die Täuschung der Taubheit

 Wie fühlt es sich an?

Der Atem und Herzschlag beruhigen sich jetzt. Hinzu kommen Taubheit oder Kribbeln in Händen und Füßen, steife Finger, leichtes Kältezittern, eingeschränkte Feinmotorik, z.B. Schwierigkeiten, die Hand zu einer Faust zu ballen. Insgesamt wird das Schwimmen anstrengender.

 Gefahren:

Das Taubheitsgefühl kann eine gefährliche Illusion erzeugen – die eigentliche Belastung des Körpers wird oft unterschätzt. Die Muskeln ermüden langsam und Bewegungen werden unpräziser. Wenn Du zu weit von der Ausstiegsstelle entfernt bist, könntest Du es nicht mehr schaffen, das Wasser zu verlassen. Die Gefahr für eine milde Hypothermie steigt an, ist aber noch nicht lebensbedrohlich.

 Mein Tipp:

Schwimme immer in der Nähe deiner Ausstiegsstelle. Wenn deine Bewegungen schwer oder unkontrolliert wirken, plane den Ausstieg ein. Achte darauf, dass du innerhalb kürzester Zeit sicher stehen könntest.

 Fremdbeobachtung:

Achte auf steife oder unkontrollierte Bewegungen; leichtes Zittern und unsicheres Schwimmen. Der Schwimmer hat eventuell einen leichten Zick-Zack-Kurs. Diese Signale deuten darauf hin, dass der Schwimmer die Kontrolle verlieren könnte.

 

 

Phase 3: Beginnende Unterkühlung – Wenn der Körper aufgibt

 Wie fühlt es sich an?

Starkes, unkontrollierbares Zittern, Du denkst langsamer und hast sichtbare Koordinationsprobleme, z. B. schwächere Armzüge oder Probleme, die Schwimmrichtung zu halten. Du fühlst dich müde und/oder gleichgültig.

 Gefahren:

Die Körperkerntemperatur sinkt deutlich ab. In dieser Phase nehmen die kognitiven Fähigkeiten ab, sodass du nicht mehr erkennst, wann es Zeit ist, das Wasser zu verlassen. Die Gefahr für eine (problematische) Hypothermie steigt an.

 Mein Tipp:

Komm aus dem Wasser. Willst Du Dich für eine Challenge testen (z.B. Eismeile), bleib sehr nah an der Ausstiegsstelle und verlasse das Wasser, sobald das Zittern stärker wird und die Bewegungen noch mehr eingeschränkt sind. Zusätzlich kannst du vor dem Schwimmen eine einfache Rechenaufgabe planen – wenn du sie im Wasser nicht lösen kannst, ist es Zeit auszusteigen. Eine andere Möglichkeit ist, dass du dich an eine vorher einkalkulierte sichere Schwimmzeit hältst, von der du weißt, dass du bis dahin noch keine starken Hypothermie-Erscheinungen hattest.

 Fremdbeobachtung:

Sichtbare Orientierungslosigkeit, auffällig langsame und unregelmäßige Bewegungen oder ein plötzlicher Abbruch des Schwimmens sind Warnzeichen. Zusätzlich hat der Schwimmer blaue Lippen und Fingernägel. Begleitpersonen sollten den Schwimmer umgehend aus dem Wasser holen.

 

Phase 4: Kritische Unterkühlung – Lebensgefahr

 Wie fühlt es sich an?

Das Zittern hört plötzlich auf, Deine Bewegungen werden extrem langsam oder bleiben komplett aus. Du fühlst dich orientierungslos und gleichgültig oder hast das Gefühl, dass dir “alles egal” ist; möglicherweise stellst du sogar ein Gefühl von Wärme fest.

Gefahren:

In dieser Phase besteht Lebensgefahr. Ohne schnelle Hilfe droht Bewusstlosigkeit und Herzstillstand.

Mein Tipp:

Verlasse das Wasser sofort und alarmiere Rettungskräfte. Ruhe bewahren ist jetzt entscheidend, um den Körper nicht weiter zu belasten.

 Fremdbeobachtung:

Keine sichtbaren Bewegungen, langsame und ausbleibende Reaktion auf Zurufe, ungewöhnliche Gleichgültigkeit oder ein plötzlicher Kollaps deuten auf eine kritische Unterkühlung hin. Die Hautfarbe kann blass bis bläulich sein. Alarmiere sofort Rettungskräfte.

 

Der Afterdrop – Wenn die Kälte draußen weiterwirkt

Auch nach dem Verlassen des Wassers kann die Hypothermie fortschreiten – eine tückische Phase, die dich in falsche Sicherheit wiegen kann. Dazu werde ich jedoch in einem gesonderten Beitrag näher eingehen.

Von allen Todesarten gilt der Erfrierungstod oft als der „sanfteste“.

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern hatte in ihren letzten Momenten die schönsten Halluzinationen. Erfrieren tut nicht weh. Doch keiner möchte beim Eisschwimmen diese Situation eintreten lassen. Deshalb sollte folgende Grundregel gelten: Verlasse das Wasser lieber zu früh als zu spät – das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Ausdruck von Respekt gegenüber deinem Körper und der Natur.

Erfahrungen aus der Community

In meiner Schwimm-Community haben einige Mitglieder ihre Erlebnisse mit Hypothermie geteilt. Erstaunlich war, dass viele trotz späterer Anzeichen starker Unterkühlung im Wasser kaum gezittert oder gefroren haben.

Berichtet wurde von Müdigkeit, Übelkeit, tauber Muskulatur und sogar kurzzeitigem Gedächtnisverlust – Anzeichen, die erst nach dem Verlassen des Wassers auftraten. Manche hatten keine speziellen Symptome, zitterten aber über eine Stunde heftig, was auf eine fortgeschrittene Unterkühlung hinweist.

Häufige Ursachen waren Selbstüberschätzung, Schwimmen auf nüchternen Magen oder mangelnde Zeiteinschätzung. Diese Berichte zeigen: Jeder reagiert anders auf die Kälte, doch die Gefahr ist real.

Mein Fazit

Eisschwimmen erfordert Respekt, Wissen und Achtsamkeit. Lerne die Phasen der Hypothermie kennen und beobachte dich selbst sowie andere genau. Wenn du unsicher bist, verlasse das Wasser. Achte darauf, dass die hier beschriebenen Anzeichen auftreten können, aber nicht müssen. Du kannst in eine starke Hypothermie rutschen, ohne dass du vorher im Wasser zitterst oder Koordinationsprobleme hast.

Ich selbst habe es noch nie so weit kommen lassen, dass ich im Wasser stark gezittert habe. Einige Male habe ich leicht gefröstelt, doch danach erlebte ich bereits einen kräftigen Afterdrop mit starkem Zittern.

Meine Regeln:

Ich bin eher vorsichtig und habe ein gutes Körpergefühl. Selbstüberschätzung ist daher selten ein Problem.
Ich habe für jede Wassertemperatur eine Benchmark, von der ich weiß, dass sie sicher ist. Von dort aus steigere ich langsam die Zeit im Wasser und beobachte meine Reaktionen.

Hast du selbst schon einmal Anzeichen von Hypothermie erlebt? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren oder schick mir eine Nachricht – dein Wissen kann anderen helfen!

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